Monday, May 31, 2010

Haunreit -ein ehemaliger Edelsitz im Inntal

Bis ins 20. Jahrhundert hier eine Uberfuhr - Ein sagenumwobener Ort

Simbach. Wo der Turkenback die Grenze bildet zwischen den Landkreisen Altotting und Rottal-Inn und somit auch Oberbayern von Niederbayern trennt, liegt an seiner Mundung in den Inn auf schmaler FluBterrasse ein stiller Ort - Haunreit. Wenn man den Namen dieses Ortes hort, muB man unwillkurlich an jene bekannte Sage vom "Fahrmann von Haunreit" denken. Aber auch in geschichtlicher Hinsicht ist Haunreit kein unbedeutender Ort, bestand doch hier jahrhundertelang eine Uberfuhr (Fahre) uber den Inn. Auch ein Edelsitz ist uns aus Haunreit bestatigt. Diesem oblag die Obhut der Fahre und des Fahrverkehrs.

Seine Entstehung durfte der Ort einem gewiBen "Huno" zu verdanken haben. Er reu-tetc (rodete) hier den Wald und machte sich mit seiner Sippe seBhaft. Nach ihm benamte man diese Siedlung Hunoreut, spater Haun-reut. Zu dieser Zeit wird auch die Fahre schon bestanden haben. man nimmt an, daB sie schon damals den Inn uberquert hat. als zur Regierungszeit Herzong Tassilos (748 - 788) das Hochstift Passau reiche Gutrschenkungen aus den fruh besiedelten Orten Stammham, Haiming und Niedergottsauerhielt. Eine Fahre wird diese drei Orte diesseits und jenseits des Inns miteinander verbunden haben.

Erstmals wird nach bisherigen Forschungen die Uberfuhr und der Ort Haunreit im Jahre 1469 urkundlich erwahnt. Wolfgang von Urfar (Urfar + Uberfuhr) zu Haunreit hatte mit Karl Heinrich Pergkhaimer Streit wegen einer Au. Man zog den Landesfursten, Her-zog Ludwig den Reichen zu Rate und dieser stellte fest, daB schon Herzog Heinrich der 14 im Jahre 1331 diese "Au mitsami dem Friede geben hat zum Hofe Urfar". Also wurde auch diedesmal die Au dem Haunreiter zugesprochen. 1528 wird in einer Urkunde ein Matheus Haunreiter, Burger zu Marktl, genannt. Wahrscheinlich stammte auch er aus dem "Hofe Urfar" zu Haunreit.






Im 16 Jahrhundert wird Haunreit als "ge-fraiter Hof" also als Edelsitz bestatigt. Mehrere Male ist man im Ort bei Erdarbeiten schon auf festes Mauerwerk gestoBen, das zweifellos vom einstigen be-festigten Edelsitz stammte. In einer Beschreibung aus dem Jahre 1589 steht folgender Eintrag: "Haunreut, ein gefraiter Hof, dieser ist aller Steuer und Scharwerk frei, doch muB er ein gerustet Pferd halten". Eine ahnliche Beschreibung aus dem Jahre 1597 lautet: "Haunreut ein Paurnhof, ist furstlich urbar, hat Edelmannsfreiheit". Wahrscheinlich hat das Geschlecht der Haunreiter diese "Steuerbefreiung und Edelmannsfreiheit" dadurch erhalten, weil ihnen vom Landesfursten die Aufsicht ubar die Fahre und der Fahrverkehr ubertragen wurde Die Uberfuhrrechte standen ja einst im Besitze des Landesfursten. dieser hatte dieses Recht nach Gunst und Verdienst zu vergeben. Somit wird Haunreit in den Besitz der Uberfuhr gekommen sein.



Ein Grabstein in der Stammhamer ist am Eingang des Kirchturmes angebracht. Er tragt in einem Schilde einen gerusteten Ritter hoch zu RoB und an den beiden oberen Ecken Schiffsruder und Schiffshaken die Smbole eines Fahrmannes. Darunter steht folgende Inschrift: "Allhier liegt begraben der Ehrsame und vornehme Piliph Haunreuter zu Haunreut und Margret Mittermeierin, zu Lengtal, seine eheliche Hasufrau. "Da die Todesdaten fehlen, nimmt man an, daB der Grabstein schon zu Le-bzeiten der Haunreuterischen eheleute ge-fertigt wurde. Nach Schatzungen durfte er um 1600 entstanden fein.

Noch um 1800 waren die Haunreuter auf dem 140 Tagwerk groBen Hof, Josef und Anna waren dan-els die Besitzer. Der Hof war zu dieser Zeit erbrachtbar zum Kastenamt Burghausen Auch eine Sagemuhle gehorte zum Gut sovi das Urfarhausl, das vom Uberfuhrer Thomas Knogler bewohnt war. 30 Jahre spater aber wurde das Gut in mehrere landwirtschaftliche Anwesen auf geteilt und die Sagemuhle ebenfalls vom Hof abgetrennt. Die Fahre wurde an einen Burger aus Nidergottsau verkauft. Sie hatte nun am jensetigen Ufer des Inn ihren Standplatz. Im Jahre 1900 wechselte sie abermals den Besitzer. Sie verkehrte von da ab nicht mehr swischen Haunreit und Niedergottsau, sondern wurde nach Stammham verlegt Am Heunreiter-Anwesen war noch lageunterm Giebel des holzernen Gehofts ein Schifflein mit Insassen aufgemal und erhert somit an die einstige Uberfuhr. Fast sechs Jahrhunderte hat also diese Fahre ihren Dienst getan. Ebensolange ist uns auch das Geschlect der Haunreiter schon bestatigt, das sich fortgepflanzt hat bis zum heutigen Tag.

Auch zwei Sagen spinnen sich um den einsamen Weiler am innufer. Von einem kuh-nen Haunreiter erzahlt uns die eine Nach dem groB Krieg zwischen Bayern und Rusturg uber die zerstorte, nur mehr aus einem Balken bestehende Innbrucke zwischen Simbach und Braunau geritten. Er habe inft seiner Streitaxt gegen die, schweren Stadttore in Braunau gepochte, die ihm auch geoffnet wurden Darafhin hat er durch seine kuhne Tat die Friedensverhandlungen beider Lander in Gang gebracht Er wurde deshalb als "Hammerreiter" bezeichnet, da er mit dem "Hammer" (Streitaxt), geritten kam.

Andere Age wil angeblich aus der Pestseit des Jahres 1521 stammen der Fahrman von Haunreit hat in einer sturmischen Nacht einen unheimlichen Gesellen vom anderen Ufer geholt. Dieser war in einen blutroten Mandel gehuBt unde hatte ein todesahnliches ahtilitz Wahrend der - drokte der Kahn noch zu beiden das Ufer erreichten, fragte der Fremde nach dem Lohn und sagte: "Wenn du von mir nichts forderst, so verlange auch ich von dir nichts". Er gab dem Fahrmann eine goldene Kugel mit dem Hinweis, er solle diese immer bei sich tragen, so bleibe er von der Pest verschont. Er aber, der Fremde, gehe jetzt nach Zeilarn und Tann. dort werden soviele Menschen sterben, als das Jahr Tage zahlt. Tatsachlich soll der Fahrmann von der Pest verschont geblieben sein. In Tann und Zeilarn aber brach die Pest aus und raffte weit uber 365 Menschen hinweg.

Wenn es auch heute in Haunreit langst keine Fahre mehr gibt und auch keinen Fahrmann, so lebt dieser noch immer weiter im Volke in jener bekannten Sage, die nun schon viele hundert Jahre alt ist, und die sich im Volksmund uberliefert hat von Generation zu Generation bis auf den heutigen Tag.

Der Fahrmann von Haunreut

oder "Der grosse Sterb von Tann"

Vor langen, langen Zeiten, - so bringt's die grause Mar- da rief es uber'n Innstrom bei Stammham schaurig her. Es rief mit hohler Stimme dem kecken Fahrmann zu: "Fahr mich hinuber, Schiffer!" So rief es ohne Ruh.

Der Forge sonst so mutig und gierig nach Gewinn, warum will er denn heute nicht durch die Fluten hin? Doch endlich lasst sein Schifflein der Schiffer zaudernd los und wirft sich voll Gedanken in seinen trauten Schoss. Und rudert voll Erwartung und mit gewandter Faust hin durch die wilde Brandung, die grimmig ihn umbraust. Und als er es besieget das flutende Gewirr, da steht er wie versteinert vor seinem Passagier. Es lauft ihm uber'n Ruchen so eisig und so kalt und schnuret ihm die Seele mit brennender Gewalt.

Und ob der Schauder zucket ihm auch durch Mark und Bein, so ruft er doch erzwungen: "In Gottes Nam', steigt ein!" Und langsam ernsten Schrittes bewegt sich die Gestalt auf deren hohlen Wangen sich die Verwustung malt. Sie schiesst aus dunklen Augen ein graulich Blitzepaar auf den entsetzten Fahrmann und reicht die Hand ihm dar. Und schauerlich umhullet ein Mantel blutigrot den grasslichen Gefahrten im kleinen Schifferboot. Der Forge taucht und rudert mit angsterhohtem Fleiss und von der Stirne rieselt ihm kalter Schreckenschweiss. Und unter ihrer Burde und unheimlichen Last da. seufzt die alte Zille und treibt in muder Hast mi Wind und Wogen ringend zum heimatlichen Strand, Wo sie nach manchen Schrecken schon Rast und Ruhe fand Der Schiffer springt an's Ufer, der Schreckensmann ihm nach und luftet seinen Mantel den gransigen gemach. Drauf fragt der Forg verwirret: "Wohin denn, Gottesmann?" Und dieser rufet schaurig: "Ich b in der Tod von Tann". " Ich trage Gottes Rache in diese schonen Gau'n, weil sie so gottvergessen nur auf sich selber bau'n".

"Dreihunderfunfundsechzig, soviel als Tag im Jahr, soviele Menschen werf ich tot in die Totenbahr". Die Fluren werden Graber, die Eltern kinderlos, die Kinder ohne Eltern, der Jammer grenzenlos" Dann hat er eine Kugel aus schwarzem Sack geholt und bot sie seinem Fahrmann und gab sie ihm als Sold. "Trag diese Kugel", sprach er, "am Halse jed-erzeit, dann blebst du von dem Wuten der Seuche wohlbefreit!"

Landeinwarts zog er weiter darauf der Wurgermann und hielt die blut'ge Ernte um Zeilarn und um Tann. Und als das Jahr verstrichen das jammervolle war, da gab's dort soviel Tote als Tag' im ganzen Jahr. Der Forg jedoch durchshiffte noch lan die feuchte Bahn und pflanzte fort die Kunde vom grossen Sterb zu Tann.

Diese Ballade von Bernhard Ostermaier besingt die bekannte Saga vom "Fährmann von Haunreut" und bezieht sich auf die Pest des Jahres 1521. Das Gedicht ist 1857 erstmals im Druck ershienten, in jüngerer Zeit jedoch weitge-hend unbekannt.

In diese Volkssage mag sich die Erfahrung gekleidet haben, daß die Pest damals über den Inn eingeschleppt worden ist. Möglicherweise war es eine pestkranke Person, welche die Fähre bei Haunreut benützte. die Pestfried höfe und die Pesttafeln im Kirchlein zu Gehersdorf und in der Pestkapelle von Hem-pelsberg (Pfarrei Zeilarn) sind noch Zeugen von dem Wüten der Pest. Die Zahl der Opfer war aber erheblich größer, als au der Sage hervorgeht. Eine andere Leseart legt die Sage auch für das Jahr 1648 aus, wo der fürchterliche dreißig-jährige Krieg mit der Pest in unserer Heimat einen grausigen Abschluß fand. Von 1648 bis 1651 erreichte die Pfarrei Zeilarn alleine schon die genannte sym-bolische Zahl von 365 Toten.

Haunreit - a former seat of nobility in the Inn valley.

Up to the 20th century [there was] a river crossing here - a legendary town

Simbach. Where the Turkenbach forms the border between the coun-ties of Altotting and Rottal-Inn and thereby separates Upper Bavaria from Lower Bavaria, at its mouth on the Inn lies the quiet town of Haun-reit on a small river terrace. If one hears the name of this town, one naturally thinks of the well-known saga of the "Riverman from Haun-reit". But also in a historical per-spective, Haunreit is not an unim-portant town, for centuries here there was a river crossing (ferry) over the Inn. A noble seat is also documented in Haunreit. This was responsible for overseeing the ferry and the land transport.

Its origin is probably due to a certain "Huno". He cleared the forest here and settled with his family. This settlement was named Hunoreut af-ter him, later Haunreut. At this time the ferry probably was there as well. One assumes that it crossed the Inn by that time. During the reign of Duke Tassilos (748-788), the Abbey of Passau received rich donations from the old settlements of Stammham, Haiming, and Nieder-gottsau. A ferry must have made the connection between these three vil-lages on both sides of the Inn.

The first written records of the ferry-age and village of Haunreit appear in the year 1469. Wolfgang of Urfar (Urfar + ferryage) at Haunreit had an argument with Karl Heinrich Pergkhaimer because of a meadow. The opponents asked the sovereign duke Ludwig the rich for his advice and he determined that the "meadow together with the adjoin-ing property" had already been placed under the jurisdiction of the Urfar estate by duke Heinrich the 14th in 1331. So the meadow was again given to Haunreit. A docu-ment dated 1528 makes mention of a Matheus Haunreiter, citizen of Marktl. He was probably also a de-scendant of the "Urfar estate " of Haunreit.

During the 16th century the "freehold" status of Haunreit is con-firmed. Earth moving operations on the property have uncovered many old walls and masonry that un-doubtedly stems from the fortifica-tions of the noble residence. A de-scription dated 1589 contains the following entry: "Haunreut, a free-hold, is exempt from all taxes and compulsory labour, but he must keep horse and its armour at the ready". A similar description dated 1597 reads: "The farm Haunreut, may be cultivated by princes and has the status of noble freehold". The Haunreiter family most proba-bly obtained this "tax exemption and a noble persons freedom" from the ruler of the county when they were assigned the duty of supervising the ferry and the ferryage. The sover-eign ruler was the original owner of the rights to the passage or ferryage. He could transfer this right as he pleased. This is most likely how the ferryage became the property of Haunreit.

A gravestone in Stammham is mounted in the entrance of the church tower. It carries, on a shield, an armed knight mounted on a horse and on the two top corners a tiller and an grappling iron, the symbols of a Ferryman. Underneath is the following inscription. "Here lies buried the respectable and noble Piliph Haunreuter zu Haunreut and Margret Mittermeier, zu Lengtal, his wedded wife." As the date of death is missing, one would assume that the gravestone was carved while the couple were still alive. It is esti-mated to be from around the year 1600.

In the year 1800 the Haunreuters were still on the 140 'Tagewerke'** country manor, Josef and Anna were the owners at that time. The house and grounds were registered at the Burghausen Registry Office. A sawmill belonged to the estate as did a riverbank hut in which the ferry-man Thomas Knogler lived. Thirty years later the estate was partitioned into smaller sections and the saw mill was split from the manor. The ferry was sold to a gentleman from Nidergottsau. It now had its station on the other bank of the river Inn. In 1900 the ownership changed once more. It no longer ran between Haunreit and Niedergottsau but Stammham instead. On the Haunreit property under the gable of the wooden farmhouse is painted a boat with passengers as a memorial to the former ferry. Almost six centuries was this ferry in service. Just as long can we trace the Haunreiter lineage and it continues on to this very day.

There are also two legends that are told about the lonely hamlet on the banks of the river Inn. The first re-counts the story of one bold man of Haunreit. After the great war be-tween Bavaria and Austria, this man came riding in full armor, tall on his horse, over the remains of the nearly destroyed bridge between Simbach and Braunau. With his battle axe, he pounded on the heavy city gates of Braunau until they were opened for him. His bold act set into motion negotiations for peace between the two lands. He is referred to as the "hammer rider" because of of the "hammer" (battle axe) he carried as he rode up to the city gates.

The other story is said to originate from the time of the plagues, in 1521. One stormy night, the ferryman of Haunreit took aboard a sinister pas-senger from the far bank. This per-son was enveloped in a blood-red overcoat and had a deathlike visage. When they reached the other side, he asked the price and said: "If you will demand nothing of me, I will in turn require nothing of you." He gave the ferryman a musket ball of gold and admonished him to keep it with him at all times if he wished to be spared from the plague. The stranger then told the ferry-man that he was on his way to Zeilarn and Tann where, so he said, as many people would die as the year has days. The ferryman was indeed spared, but in Zeilarn and Tann the plague broke out and claimed many more lives than 365.

Even if there is no longer a ferry in Haunreit, and no longer a ferry-man, he still lives on in that famous saga, which is several hundred years old, and has been passed on from gen-eration to generation by word of mouth up to the present.