Saturday, May 28, 2011

Die Überfuhr in Haunreit by Josef Seidl-Ainoder

Unveit von Stammham, in der Nahe der Türkenbachmundung in den liegt der Ort Haunreit. Die Entstehung des Namens haunreit dürfte vermutlich auf einen Siedler namens "Huno" zurückgehen, der den Wald rodete und sich mit seiner Sippe hier niderließ. Das dürfte bereits zur Zeit der Regierung Tassilos gewesen sein (743-788). Die reichen Güterschenkungen an das Hochstift Passau diesseits und jenseits des Inn waren wohl der Beweggrund, durch eine Überfuhr die Verbindung zum anderen Flußufer herzustellen. Das Überfuhrrecht vergab der Landesherr an den Besitzer des Haunreitergutes. Der Ort Haunreit wird mit der Überfuhr urkundlich erstmals im Jahr 1469 erwähnt. Ein Wolfgang von Urfahr zu Haunreit hatte mit Karl Heinrich Pergkheimer einen Streit wegen einer Au. Man zog den Landesfürsten Herzon Ludwig dem Reichen zu Rate un dieser stellte fest, daß schon Herzon Heinrich XIV. im Jahr 1331 diese Au dem Haunreiter zugesprochen hatte.


Im 16 Jahrhundert wird Haunreit als “gefreiter Hof”, also als Edelsitz bestätigt.  Er war aller Steuer und Scharwerk fei, mußte aberein “gerüstetes Pferd” halten.  Am Eingagn des Kirchturmes des Pfarrkirche Stammham ist ein schöner Grabstein von einem Haunreiter angebracht.  Er trägt in einem Schild einen gerüsteten Ritter hoch zu Roß und an den beiden oberen Ecken ein Fährschiff beziehungsweise ein Schiffsruder mit Schiffshaken, die Symbole eines Fährmannes.  Darunter steht folgende inschrift: “Albie ligt begraben der Ersam und firnem Filip Haunreiter Zu Haunreit und/Margret Mittermaierin zu Lengtal sein Eeliche Hausfrau…” Da die Todesdaten fehlen, nimmt man an, daß der Grabstein schon zu Lebzeiten der Haunreiterischen Eheleute gefertigt wurde.  Nach Schätzungen durfte er un 1600 entstanden sein.   Auch eine Sage aus der Zeit der Pest, die vom Niedergern kommend sich ins Niederbayerische ausbreitate, ist uns in Verbindung mit der Überfuhr erhalten: Der Fährmann von Haunreit holte in einer stürmischen Nacht einen unheimlichen Gesellen vom anderen Ufer.  Dieser war in einen blutroten Mantel gehüllt und hatte ein todähnliches Antlitz.  Während der Überfahrt drohte der Kahn unter der seltsamen Last zu sinken.  Als die beiden endlich das Ufer erreichten, fragte der Fremde nach dem Lohn und sagte: “Wenn du von mir nichts forderst, so erlange ich auch von dir nichts.”  Er gab dem Fährmann eine goldene Kugel mit dem Hinweis, er solle diese immer bei sich tragen, so bleibe er von der Pest verschont.  Er aber, der Fremde, gehe jetzt nach Zeilarn und Tann.  Dort würden soviele Menschen sterben, als das Jahr Tage zählt.  Tatsächlich soll der Fährmann von der Pest verschont eblieben sein.  In Tann und Zeilarn aber brach die Pest aus und raffte weit über 365 Menschen hinweg.
    Das Haunreitergut zählte zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts noch zirka 150 Tagwerk Grundbesitz.  Der Gebäudekomplex bestand aus einem halb gemauerten und gezimmerten Wohnhaus, einem ganz gezimmerten Stadel, Wagen- und Strohhütte, einem gezimmerten Schweinestall, einem gemauerten Kalbsstallerl, einem halbegmauerten und gezimmerten Kuhstall und einer Sägemühle mit Sägegerechtigkeit.  Dazu gehorte das Überführerhausl (heute Bachstraße 11) mit Urfahrtsgerechtigkeit.  
   Am äußeren Dachgebälk des Wohnhauses war bis vor einigen Jahrzehnten noch eine in roter Farbe ausgeführte Ornamentierung und ein Schifflein mit Insassen zu sehen.
Unweit des Haunreiterhofes steht eine Votivkapelle.  In ihr befindet sich eine Gedenktafel.  Diese erinnert an ein Fährunglück im Jahr 1823.  Die Schiffsinsassen wollten nach Niedergottsau zum Skapulierbruderschaftsfest.  Das Fährschiff schlug um und die Insassen ertranken alle bis auf sieben.  Zur Erinnerung wurde damals eine hölzerne Kapelle errichtet, die vor einigen Jahrzehnten durch einen gemauerten Neubau ersetzt wurde.
      Der letzte Besitzer des Haunreitergutes, Josef Haunreiter, hatte eine große Schuldenlast, die seinen Ruin bedeutete.  Der Sohn Franz Haunreiter ließ sich noch am 1. April 1851 von seinen Eltern das Überführerhausl und das Überfuhrrecht verschreiben.  Am 3. April 1851 starb der Vater Josef Haunreiter mit 58 Jahren.  Nach seinem Tode Wurde das Haunreitergut “zertrümmert”.  


 Der Überführer Franz Haunreiter stellte am 15. Februar 1868 beim königlichen Bezirksamt einen Antrag auf “Bewilligung einer Überfuhr mit gespanntem Seil” mit folgendem Inhalt:  “Ich besitze ein reales, besteuertes Überfuhrrecht über dem Innstrom von Haunreit nach Niedergottsau und ube dieses bisher mit einer Zille ohne gespanntes Seil aus.  Ich beabsichtige nun, eine förmliche Überfahrtsanstalt mit gespannten Drahtseil zu errichten, um das Überfahren zu erleichtern und sicherer zu machen.  Diese Überfuhr würde ich an der Stelle einrichten, wo ich bisher immer über den Innstrom gefahren bin.”  Am 20. April 1868 erhielt der Überführer Franz Haunreiter von der Königlichen Regierung von Oberbayern die Erlaubnis, ein Seil zur Erhöhung der Verkehrssicherheit über den Innfluß spannen zu dürfen.
      Im Jahr 1876 verkaufte Franz Haunreiter sein Überführerhäusl mit dem Überfuhrrecht an Johann Edmeier, vorher Seppmitterergütler in Vordorf, Gemeinde Haiming.  Ein Jahr später, 1877 veräußerte dieser sein Überführerhäusl wieder, behielt sich aber das Überfuhrrecht vor. Dieses verkaufte er am 5. Juni 1878 an den Gütler Michael Ober von Niedergottsau (heute Austraße 5).  Damit wurde die Fähre von Haunreit nach Stammham verlegt.
      Über Michael Ober gingen aus der Bevölkerung bei den Behörden Klagen ein wegen “Unzuverlassigkeit des Fährbetriebes”.  Das königliche Bezirksamt Altötting hielt bei der Gemeinde Piesing Rückfrage über dessen Verhalten.  Die Gemeinde stellte ihm ein gutes Zeugnis aus mit der folgenden Erklärung: “Der Überführer Michael Ober besitzt einen sehr guten Leumund. Er is 47 Jahre alt, verehelicht und Vater von sieben großtenteils erwachsenen Kindern.  Derselbe besitzt in Niedergottsau ein Bauerngütl im Werte von cirka 8500 Mark.  Das Seil an der Überfuhr ist gut, der Kahn befindet sich in ziemlich schlechtem Zustande, und dürfte die Anschaffung eines neuen angeordnet werden.”  Wiederum beschwerte sich der Schullehrer von Niedergottsau im Frühjahr 1887 beim königlichen Bezirksamt Altötting:  “Es ist leider eine Tatsache, daß die Überfuhrverhältnisse am hiesigen Platze ganz abnorme sind.  Die Fähre Niedergottsau-Stammham verbindet direkt das rechte Innufer mit den vielbesuchten Orten Tann und Simbach.
 Zugleich führt über diese Verbindung der nächste Weg von Niedergottsau nach den Bahnhöfen Marktl und Buch.  Es herrscht also ein ziemlicher Verkehr.  Um so bedauerlicher ist es, daß die Fähre in ganz unzuverlässigen Händen ist.  An einzelnen Tagen ist es überhaupt nicht möglich, überzufahren, an anderen Tagen muß man oft stundenlang warten, da der Fährmann in einem der Gasthäuser Stammhams sitzt und sich die Zeit abwechselnd mit Schnaps und Biertrinken vertreibt.  Das Warten auf die Fähre ist um so peinlicher, wenn man einen Eisenbahnzug erreichen will, oder wenn irgend ein Unwetter, sei es in Sommer oder Winter, herrscht, da nicht der geringste Schutz gegen Sturm, Regen oder Schnee zu finden ist.  Ist es aber endlich gelungen, den Fährman an sein Pflicht zu rufen, so ist er häufig in einem Zustande, der eine Wasserfahrt wenig begehrlich macht, wegen der großen Gefahr, namentlich bei Hochwasser oder Eis, und es wird dem betreffenden Fährmann allgemein prophezeit, daß er gewiß nicht im Bette stirbt und es ist wahrlich ein Wunder zu nennen, daß er nicht schon längst ertrunken, da nich erst einmal oder zehnmal es vorkam, daß er aus dem Schiffe in den Inn stürzte.  Wohl wurde ihm schon oft und oft mit Anzeige gedroht. Dies nützt höchstens 3, 4 Tage und alles ist wieder beim alten.  Die  Gendarmerie erklärt sich nicht für kompetent zur Anzeige, obwohl sie oft schon in Mitleidenschaft gezogen wurde,  Abhilfe dürfte hier dringend geboten sein und hohes kgl. Besirksamt würde sich in diesem Falle wohl den Dank der hiesigen und nächsten Bevölkerung in vollkommensten Maße werdienen.  Hochachtungsvollst:  Karrer, Lehrer in Niedergottsau.” Einige Monate später richtete der Gendarmeriekommandant von Marktl eine Anzeige an das königliche Besirksamt mit folgendem Wortlaut:  “Dem kgl.  Bezirksamt zeige ich dienstlich an, daß ich schon öfters Klagen darüber in Erfahrung brachte, daß der Uberführer Michael Ober an der Fähre über den Innfluß zwischen Stammham und Niedergottsau seinen Obliegenheiten nicht genügend nachkommt, indem derselbe oft stundenlang in den Wirtshäusern in Stammham zecht, wodurch die Passanten lange Zeit an der Fähre warten müssen.
            Hievon habe ich mich am 13, dieses Monats elbst überzeugt, indem ich ungefähr ½ Stunde an der Fähre stand und Ober nicht anwesend war.  Die sofort eingeleiteten Recherchen haben ergeben, daß auch damals Herr Ober in Stammham zechte.  Derselbe kommt öfters auch in einem höchst angetrunkenem Zustande an die Fähre, so daß Gefahr für die Passanten besteht.  Stefan Elsbeth, Stationskommandant in Marktl”.  Am 21, April 1888 wurde der Überführer Michael Ober vom königlichen Bezirksamt mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt.  Er verpachtete dann ab 1. Januar 1892 die Überfuhr an Friedrich Baumgartner, ehemaligen Kapsumüller in Niedergottsau.
Im Jahr 1900 verkaufte dann Michael Ober die Fähre an den Krämer Engelbert Satzinger von Niedergottsau (heute Dorfstrase 4). Am 16 Mai 1904 setzte die Kammer des Innern  “im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern” die Überfahrtsgebühren neu fest: “Personen über 14 Jahre zahlen 10 Pfennig, unter 14 Jahre 5 Pfennig, Kinder, die auf dem Arm getragen werden sind frei zu befördern.  Ein Stück Kleinvieh kostet 6 Pfennig, ein Stück Großvieh kostet 30 Pfennig, Lasten unter 25 kg 5 Pfennig, über 25 kg 10 Pfennig.”





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